München - Abschlussfahrt der Klasse 10a
der Werner-von-Siemens-Schule, Wiesbaden vom 10. bis 14. Mai 2004
Ich begleitete diese jungen Leute als Deutsch-, Geschichts-, Politik-, Arbeitslehre- und
Sportlehrer ein Stück ihres Lebens.
Hier muss, wie es sich gehört, ein kluger
Spruch stehen.
Also:
"Ich habe gehört, Ihr wollt nicht lernen
Daraus entnehme ich: Ihr seid Millionäre.
[...]
Freilich, wenn es anders wäre
Müsstest du lernen."
Dieses von mir eigentlich unzulässig gekürzte Gedicht von Bertolt
Brecht kennen meine Schüler/innen. Ob sie die Botschaft beherzigen? Als
Repräsentant erzieherischer Bemühungen fällt mir immer wieder einmal
die Geschichte von Sisyphos ein. Dazu hier nur soviel.
Es passt auch der Poesiealbumspruch:
Ich wünsche euch, auf den Wellen zu wippen und nicht umzukippen der Kahn wackelt immer!
Fotos bis zum Abwinken von
Sandra Weiershäuser und ...
In dieser Woche
mutierte/fungierte ich dann auch noch als Reiseleiter.
Vorsicht Satire.
Tja, was macht so ein Test-Reiseleiter in München, wenn er die knapp bemessene
eigene Freizeit nutzt? Er geht, um das Bayerische zu untersuchen, in das
Hofbräuhaus, dem Trinker-Himmel. Genauer gesagt: in die 'Schwemme'. Ich sitze
mit meinem Jungschweinhaxenbratenessen dem Stammtisch
"Herz und Pik As" gegenüber. Die Männer sagen
nichts, sondern donnern nur Karten auf den Tisch und heben nach jeder
Runde diese irrsinnigen Maßkrüge.
Schräg gegenüber der Stammtisch, sie nennen sich
"Wolpertinger". - Nun, ich muss dazu sagen, dass ich weiß, was Wolpertinger
sind. Ich habe nämlich das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum besucht
und eine Postkarte gekauft. - Also gegenüber, ich höre nur, wie der
eine in die Runde sagt: "Es hot nix Schön'res, ois wann der Motor
lafft und der Diesel brrrrrummt." - wahrscheinlich unterhalten sie
sich über BMW's. Alle haben Federn und gewaltige Pinsel am Hut. Sie
sprechen ganz wenig, aber alles was sie sagen, kommt sonor bei mir an:
"Der Diesel brrrrummt."¹ zu 1 Den bayerischen/bayrischen Idiom habe ich von unserer gemeinsamen Bekannten Gisela W.;
aufgewachsen in Oberbayern (Lufthansa-Flugbegleiter-Lehrgang 116), derzeit lebend auf
Alonissos/Sporaden/Griechenland.
Rechts hinter
den Wolpertingern sehe ich eine asiatische Großfamilie,
sagen wir einmal aus Bangkok. Sie essen
Schweinsbraten und versuchen
die Krüge zum Mund zu führen; im ernst, der eine denkt, der Bierdeckel
ist ein Keks und beißt hinein. Es ist einfach sich über die Bayern
lustig zu machen, aber wenn man sich anschaut, wie die Asiaten später eine Brezel essen, als
wär's eine Hostie, da kam ich dann doch ins Grübeln. [...]
Ganz
hinten rechts in einer fast uneinsehbaren Ecke erkenne ich eine
größere Ansammlung meiner Schüler/innen: fröhliche, mit breitem
Lachen und rotohrige Gesichter.
Horror-Trip für Bedienung und Wirt; an dem komplett besetzten Tisch nur
drei Limos, zwei Bier und ein Teller Wiener. Also Glück gehabt, keine
Bierdimpfl und besuffan sind sie auch nicht. Also, "ned so wuid hier."
Wie nicht anders
erwartet, kann ich aus dieser Entfernung erkennen, dass nicht wenige mittels Handy (oder SMS)
wieder einmal damit beschäftigt sind, dem jeweiligen Gesprächspartner, den eigenen Standort durchzugeben, zu sagen,
was man gerade tut oder versichert, dass man an
ihn denkt. Ob sie die Frische des Fassbieres ergründet haben. Wohl
kaum.
"Ja mei", kann man da nur sagen. Dies ist Übrigens
der Klassiker unter allen bayrischen Fatalismen. In der Langfassung
würde man sagen: "Da
kannst' nix machen, so ist das nun mal, Aufregung lohnt nicht."
Na gut. Prost (Prosit²) und tschüs. zu
2 Das lateinische "prosit" heißt auf deutsch "es
möge gedeihen, wohl geraten".
Ansonsten wünsche ich meinen Schülerinnen und Schüler nicht nur das,
was sie meiner Meinung nach verdienen, sondern stets viel Freude beim
Vermehren von gewonnenen Einsichten,
d.h. haltet euch in Schwung, den
Kopf und den Rest!
Halt, einen Spruch habe ich noch: "Leistung
lohnt sich - für die meisten erst in 400 Jahren." Frankfurter
Rundschau,
16. Oktober 2004, S. 7 Josef Ackermann, Vorstandschef der
Deutschen Bank, erhielt 2003 ein Salär (Lohntüte),
für das ein Durchschnittsverdiener über 400 Jahre arbeiten müsste.
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Soll nur jemand sagen, wir würden nicht gerne eine Tageszeitung lesen:
zusammengeleimtes Papierboot mittels "Wiesbadener Kurier", als Nachweis
für unsere Belesenheit.
"Das Schlaraffenland" von P. Breugel d. ä., Alte Pinakothek
Aus urheberechtlichen Gründen wurden hier zwei Bilder entfernt.
Wolpertinger,
Postkarte "Wuins oans mitneama?"
Dieses Ritual gehört einfach dazu. Ob es Glück, ... bringt, ist eine andere
Frage.
Residenzstraße, einer der vier Wächterlöwen vor der Residenz.
Tagesausflug nach Prien/Chiemsee "Warum stehen bei den Katholiken Mathematikaufgaben über der Tür?"
- Youssuf
al Sepp (Name geändert.)
Bei manchen Schülern hätte ich allerdings auch im Kaffeesatz lesen
können, was aus ihnen wird. Da halfen auch die neusten Methodentricks
nichts, Verstehensprobleme zu lösen.
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